Menschenrechte

23. Dezember 2023

"Ich kann Ungerechtigkeiten nicht leiden."

Interview mit Markus Lemke, Menschenrechtsbeauftragter

Seit gut einem Jahr setzt die VW FS AG mit einem eigenen Menschenrechtsbeauftragten im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes ein Zeichen für soziale Verantwortung und ethisches Handeln. Im Interview spricht Markus Lemke, Legal Counsel für Kartellrecht und Menschenrechtsbeauftragter der VW FS AG, über die Herausforderungen und Erfolge, die Zusammenarbeit mit verschiedenen Abteilungen und über die zukünftigen Pläne und Strategien, um die Einhaltung der Menschenrechte innerhalb des Unternehmens weiter zu gewährleisten.

Foto Markus Lemke

Markus Lemke, Menschenrechtsbeauftragter Volkswagen Financial Services AG

Markus, du bist vom Unternehmen vor rund einem Jahr zum Menschenrechtsbeauftragten berufen worden. Aber was genau sind eigentlich Menschenrechte?

Der Begriff der Menschenrechte ist tatsächlich sehr komplex. Meiner Tochter würde ich vereinfacht sagen: Jeder Mensch auf der Welt hat das Recht auf ein Leben in Freiheit und Sicherheit. Er hat das Recht auf Bildung und freie Berufswahl und natürlich auch auf gerechten Lohn für seine Arbeit. Aus diesen Rechten folgt für uns als Unternehmen, dass wir die Einhaltung von Menschen- und Umweltrechten bei uns und auch in den vorgelagerten Lieferketten überwachen. Den Kern dieser weltweiten Grundrechte formulierten die Vereinten Nationen schon 1948 nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.

Und diese Grundrechte haben bis heute nicht an Bedeutung verloren, im Gegenteil. Du selbst arbeitest im Bereich kartellrechtlicher Compliance. Compliance ist regelkonformes, ethisch korrektes Verhalten. Gehört die Einhaltung der Menschenrechte nicht zwingend dazu? 

Ja, das stimmt. Dennoch rückt der Schutz der Menschenrechte immer stärker in den Fokus. Gerade auch durch aktuelle politische Entwicklungen und die Erwartungshaltung vieler Verbraucher. Dies zeigt sich auch in jüngsten Gesetzesinitiativen, die den Schutz der Menschenrechte fördern sollen, allen voran das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG. Und hier setzt auch meine Aufgabe an - die Umsetzung des LkSG mit seinem weiten Schutzbereich aus Menschenrechten und Umweltbelangen. Bei der Volkswagen Financial Services AG haben wir damit eine Möglichkeit, die Einhaltung gewisser Sorgfaltspflichten zu überwachen. Dabei geht es um die Einhaltung der Menschenrechte bezüglich Kinder- und Zwangsarbeitsverbot, Arbeitssicherheit, Versammlungsfreiheit, Gleichbehandlung, Vergütung und einige Umweltrechte zum Umgang mit Land, Wald, Wasser und Müll unter Einschluss internationaler Abkommen.

 

Wir sind ein internationales Unternehmen und in vielen Märkten aktiv. Wie offen sprichst du mit unseren weltweiten Kolleginnen und Kollegen über die Einhaltung der Menschenrechte? 

Sehr offen - und das muss ich auch tun. Um es deutlich zu machen, ich sehe - dem Gesetz folgend - jede unserer weltweiten Tochterunternehmen als Teil unseres eigenen Geschäftsbereichs an. Hier müssen wir überall den gleichen Maßstab ansetzen, und der ist auch laut Gesetzestext nicht verhandelbar.

 

Du bist nun seit zwölf Monaten als Menschenrechtsbeauftragter tätig. Welche wesentlichen Erfolge siehst du in dieser Funktion?

Einer unserer Erfolge ist die kürzlich veröffentlichte Grundsatzerklärung der VW FS AG zur Wahrung der Menschenrechte. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die vielfältige Ansprache unserer Kolleginnen und Kollegen, die in den Prozessen aktiv sind, um dem Thema mehr Transparenz zu verleihen und den Stellenwert zu erhöhen.

 

Neben den genannten Erfolgen: Welche Schwerpunkte hast du in deinem ersten Jahr als Menschenrechtsbeauftragter bei der VW FS AG gesetzt?

Die Hauptthemen im ersten Jahr konzentrierten sich auf das Einführen neuer Strukturen und Prozesse zur Gewährleistung und Nachweisbarkeit der Einhaltung der Menschenrechte sowohl intern als auch in unserer Lieferkette. Erfreulicherweise konnten wir im eigenen Geschäftsbereich, der laut Lieferkettensorgfaltsgesetz für uns derzeit 51 Tochtergesellschaften umfasst, im ersten Jahr keinen Menschenrechtsverstoß feststellen. 

 

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Fachbereichen?

Meine Hauptaufgabe konzentriert sich auf die Überwachung des Risikomanagements bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte. Ein Großteil meiner Arbeit im ersten Jahr bestand im Aufbau der erforderlichen Strukturen und Prozesse. Ich agiere als Berater für Kollegen, insbesondere bei der Entwicklung kosteneffizienter und einfacher, aber dennoch effektiver Umsetzungen. Die Arbeit der Fachbereiche ist stärker operativ ausgerichtet: Sie werten Risikoanalysen aus und leiten Maßnahmen ab. Gemeinsam prüfen wir, wie die Effektivität dieser Maßnahmen bewertet und gemessen werden kann.

 

Wie unterstützt die VW FS AG die aktive Beteiligung der Mitarbeiter bei der Meldung von Menschenrechtsverstößen oder Umweltschäden?

Wir ermutigen unsere Kollegen durch unsere Menschenrechtsschulungen und Intranet-Berichte, Hinweise auf Missstände intern oder in unserer Lieferkette zu melden. Aus meiner Erfahrung in diesem Jahr kann ich bestätigen, dass solche Hinweise effizient und im Rahmen eines gut strukturierten Prozesses bearbeitet werden.

 

Du setzt dich jetzt beruflich mit Menschenrechten auseinander. Hat sich dein Blick dadurch auch im Privatleben verändert? Und: Was motiviert dich täglich in deiner Rolle als Menschenrechtsbeauftragter?

Mein Blick hat sich dadurch nicht verändert. Ich kann Ungerechtigkeiten nicht leiden und bin bereit, mich hier stark einzusetzen. Es motiviert mich zu wissen, dass ich in dieser Aufgabe nicht alleine bin. Ich arbeite mit großartigen Kollegen aus verschiedenen Bereichen zusammen, darunter HR Compliance, Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltmanagement, Beschaffung und Compliance. Zudem ist es inspirierend zu sehen, wie viele Kollegen in diversen Fachbereichen Maßnahmen entwickeln und umsetzen.


Menschenrechte

Am 10. Dezember 1948 verkündete die Generalversammlung⁠ der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. In 30 Artikeln formuliert sie bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. So heißt es dort unter anderem: Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person. Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden; Sklaverei und Sklavenhandel sind in allen ihren Formen verboten. Niemand darf der Folter oder grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. 

Am 1. Januar 2023 ist in Deutschland das neue LkSG in Kraft. Betroffene Unternehmen müssen dann alle unmittelbaren Zulieferer auf die Einhaltung menschenrechtlicher und umweltbezogener Standards überprüfen und darüber berichten – bei Verstößen drohen Sanktionen und Bußgelder. Für Unternehmen und vor allem den Einkauf entstehen neue Pflichten.


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