Unterm Brennglas: Die Transformation automobiler Finanzdienstleistungen
02. Dezember 2021
Vor dem Hintergrund einer sich immer schneller verändernden Mobilitätswelt fand zum wiederholten Mal der Mobility Circle von Prof. Dr. Bratzel, Gründer und Direktor des Center of Automotive Managements, im Hochhaus der Süddeutschen Zeitung in München statt. Viele Mobilitätsexperten aus den unterschiedlichsten Branchen waren eingeladen, um über Chancen, Herausforderungen und neue Technologien zu diskutieren. Stefan Imme, CDO der Volkswagen Financial Services, war ebenfalls dabei und erläuterte, welche Rolle automobile Finanzdienstleistungen im Konzert der Veränderungen spielen werden.
Elektrifizierung, Konnektivität und autonomes Fahren auf der einen Seite, Direktvertrieb, digitale Identitäten und Echtzeitprozesse auf der anderen – sowohl die Automobilindustrie als auch die Finanzindustrie stehen einer umfassenden digitalen Transformation gegenüber. Bei den automobilen Finanzdienstleistungen greifen diese Veränderungen der Sektoren nahtlos ineinander und wirken wie ein Brennglas. Genau hier knüpfte die Key Note von Stefan Imme beim Mobility Circle an. „Klassisch kommen wir aus dem Bereich der Fahrzeugfinanzierung, haben aber in den letzten Jahren bewusst unser Produktportfolio erweitert“, so der CDO von Volkswagen Financial Services. Denn mittlerweile gehören auch die Gebrauchtwagenvermarktung, das Geschäft mit Tank- und Ladekarten, Smart Parking sowie Payment-Services zum Kerngeschäft. Hinzu kommt die Autovermietung, die besonders angesichts neuer Mobilitätsanforderungen eine wichtige Rolle spielt. „Ein Großteil der klassischen Vermietung findet im Werkstattersatzbereich in den Autohäusern statt. Hier sind wir bereits lange aktiv. Da lag es auf der Hand, dass wir unsere bestehende Produktpalette im Rahmen von Auto Abos konsequent bündeln und auf natürlichem Wege weiterentwickeln.“
Gleichzeitig entwickelt sich der der klassische Single-Kanal-Vertrieb über die Händlerpartner am Point-of-Sale zu einem Multi-Kanal-Vertrieb. Dadurch gelangen Kunden mittlerweile durch viele verschiedene „Eingänge“ aus der On- und Offline-Welt zu den Volkswagen Financial Services und es entsteht eine deutlich größere Menge an Kundenkontaktpunkten. Dazu gehören beispielsweise das eigene Kundenportal, der Online-Direktvertrieb, In-Car-Payments, die digitalen Ökosysteme der Fahrzeugmarken, unabhängige Gebrauchtwagenplattformen wie heycar oder ganz klassisch die Händlerpartner.
Eine zentrale Aufgabe für die Zukunft sei es, so Imme weiter, Mobilitätsangebote über eine einzige Plattform anzubieten. Denn im Smartphone des Kunden konvergieren die Geschäftsmodelle Auto-Abo, Full-Service-Leasing, Leasing und Finanzierung. Genau für diese Mammutaufgabe sind automobile Finanzdienstleister gut gerüstet. Schließlich hätten sie einen optimalen Zugang zu Fahrzeugen, eine etablierte Marke, starke Fähigkeiten beim Management von Fahrzeugflotten sowie einen zuverlässigen Zugang zum Kapitalmarkt. „Diese Kriterien bringen wir im Grunde genommen alle mit. Und bei der User-Experience sind wir zwar auch auf einem guten Weg. Allerdings geben hier aber immer noch die großen, internationalen E-Commerce- und Digital-Player den Ton an“, so Imme.
Wichtig für tragfähige Geschäftsmodelle im Mobilitätssektor sei aber auch die Frage, wie sich der Anteil der verkauften Mobilitätsdienstleistungen (=Share of Wallet) im Verhältnis zur Kundenloyalität verhält. Denn während beim Barkauf oder dem Leasing relativ wenige Dienstleistungen automatisch mit hinzugebucht werden, ist die Loyalitäts- bzw. Wiederabschlussquote dagegen hoch. Im Gegensatz dazu sind zwar bei Sharing- und Mobility-as-a-Service-Angeboten alle Dienstleistungen integriert und dadurch eingepreist. Durch die sehr hohe Flexibilität mit kurzen Laufzeiten fehle allerdings die nötige Kundenbindung. „Ähnlich wie bei den Themen Flexibilität und Kosten müssen wir auch hier in unserem Angebotsspektrum den Sweetspot aus dem Verkauf unserer Dienstleistungen und einer hohen Kundenbindung finden“, sagte Imme und ergänzte: „Aus diesem Grund bieten wir mittlerweile auch Auto Abos an, entwickeln diese für die Marken des Volkswagen Konzerns und integrieren dort die Dienstleistungen verschiedener Kooperationspartner inklusive der Identitätsplattform Verimi zu einer Mobilitätsflatrate on demand.“ Besonders für den Absatz von Elektrofahrzeugen seien Abos ein wichtiger Vertriebskanal und stark gefragt.
Was passiert aber, wenn der Kontakt zum Händlerpartner nicht mehr der einzige Weg für Kunden bleibt, ein Auto zu kaufen? Genau aus diesem Grund haben die Volkswagen Financial Services heycar als markenunabhängige Gebrauchtwagenplattform gegründet, an der mittlerweile namhafte Investoren wie die Allianz, Renault, Daimler und die Volkswagen AG beteiligt sind. „Wir haben heycar zwar bewusst im markenunabhängigen Gebrauchtwagensegment platziert. Im Endeffekt handelt es sich aber um eine komplette E-Commerce-Plattform, über die wir in der Lage sind, Mobilitätsangebote digital zu vertreiben. Im Zielbild geht es um die Frage, wie Kunden zukünftig Mobilität konsumieren“, sagte Imme. Heycar biete großes Potential, ein integriertes digitales Kauferlebnis zu schaffen. Im Endeffekt, so das Schlusswort von Imme, seien automobile Finanzdienstleister auf Basis der Kunden- und Fahrzeugdaten in der Lage einen Loyalitätslebenszyklus gut zu managen und eine hohe Bandbreite an Dienstleistungen anzubieten. „Wir sind fest davon überzeugt, dass sowohl jeder Kunde, aber auch jedes Fahrzeug einmalig und individuell sind. Wir sehen uns hier als Matchmaker, um Kunden das richtige Fahrzeug, zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Preis anbieten zu können.“