"Down Under" ist anders

24. Februar 2021

Jörn Kurzrock, Managing Director VW FS Australia, spricht mit der Unternehmenskommunikation über die aktuelle Lage „down under“ und gewährt spannende Einblicke in den australischen Markt.

Hallo Herr Kurzrock, abgesehen vom Unterschied bei Tages- und Jahreszeiten: Was ist anders bei Ihnen in Australien?

Kurzrock: Aktuell vor allem das Corona-Infektionsgeschehen. Nach einem starken Ausbruch im Februar/März letzten Jahres hat die Regierung strenge Maßnahmen verhängt, und aktuell, im australischen Sommer, haben wir praktisch Null-Inzidenz.

 

Vom Käfer bis zur R-Line: Die Eingangshalle der Volkswagen Financial Services Australia präsentiert die Ikonen der Marke. Was sind die ökonomischen Effekte?

Kurzrock: Da unterscheiden wir uns weniger von anderen Weltregionen. Die Wirtschaft ist in die Rezession gefallen. Allein der Neuwagenmarkt ist um über 20 Prozent eingebrochen. Australien ist ein reiner Importmarkt, aber auch der Handel ist komplett anders strukturiert. Eine gute Handvoll großer, oft börsennotierter Händlergruppen betreuen viele oder sogar alle im Land vertretenen Marken in jeweils hunderten von Einzelbetrieben. Sie beherrschen drei Viertel des Marktes. Damit ist das Captive-Dreieck – bestehend aus Konzernmarken, Finanzdienstleister und Autohandel - hier eigentlich ein Viereck, die Händler-Holdings spielen eine wesentliche Rolle.

 

Wie ist Volkswagen Financial Services Australia in diesem Viereck positioniert, und was hat dabei die Krise für Auswirkungen?

Kurzrock: Wir stehen bei knapp 110 Prozent gegenüber Vorjahr im Neugeschäft, insgesamt bei 105 Prozent. Sie werden fragen: Wie kann das sein, wenn Drumherum die Welt zusammenbricht? Darauf gibt es eine ganz klare Antwort: Das ist das Ergebnis unserer neuen Strategie, die wir 2018 gemeinsam mit der Regionssteuerung verabschiedet und begonnen haben zu etablieren, also vor Corona. Sie fokussiert neben Neuwagen- besonders die Stärkung des Gebrauchtwagengeschäfts, die Kundenbindung sowie die Kooperation mit den großen Händlerketten. Und das nicht nur bezogen auf unsere Konzernfabrikate, sondern auf die gesamten Händlergruppen mit ihrem breiten Portfolio. Über diese Strategie sind wir heute in der Lage Fremdmarkengeschäft anzukaufen, zu dem wir normalerweise gar keinen Zugang hätten. Das bedeutet: Obwohl der Neuwagenmarkt während der Pandemie erheblich eingebrochen ist und wir schwierigen Rahmenbedingungen ausgesetzt waren, konnten wir dank unserer breiten Aufstellung mehr Geschäft erzielen als im Vorjahr.

In der Tat, auf Ihrer Website stehen - wenn auch klein - neben acht unserer Konzernmarken auch Jaguar und Land Rover. Aus deutscher Sicht wirkt das erstmal „shocking“…

Kurzrock: …da muss ich sofort eins betonen: Natürlich sind wir unserem Konzernauftrag verpflichtet! Wir fahren das Fremdmarkengeschäft ganz transparent als unabhängiges White Label Profitcenter. Das gibt uns finanziellen Rückhalt, stärkt unsere Gesamtsituation im Markt und macht uns letztendlich weniger abhängig von den Absatzzahlen einzelner Marken. Darüber hinaus schaffen wir Mittel, um in strategische Projekte wie die Digitalisierung auch zugunsten unserer Konzernmarken zu investieren. Ziel Nummer eins bleibt, die Kundenbindung innerhalb der Marken zu sichern und zu erhöhen.

 

Wie hat man sich das praktisch vorzustellen?

Kurzrock: Nehmen wir die führende Gruppe AP Eagers, börsennotiert, mit 33 Pkw- und 12 Truck&Bus-Marken auf dem australischen Markt, mit der wir 2019 einen strategischen Kooperationsvertrag unterschrieben haben. Theoretisch müsste sie innerhalb der Gruppe eine Kundenbindung von 100 Prozent haben. Wenn unser Kunde nach einem VW einen Ford oder Toyota kauft, bleibt er ja in der Gruppe. Aber wir wollen diesen Kunden auch bei uns halten und nicht an andere Finanzdienstleister verlieren. Parallel zum Portfolio der Gruppe versuchen wir im Gegenzug Bestandskunden anderer Marken umzulenken.

Wichtig ist vor allem ein schlüssiges Gebrauchtwagengeschäft. Wir sprechen also einerseits die Ausläufer auf Neuwagen-Finanzierungen an und machen gleichzeitig mit Servicepaketen und Garantieprodukten attraktive Gebrauchtwagen-Angebote, um den Händlern das „Drehen des Kunden“ zu erleichtern - mit einer klaren Perspektive: 50 Prozent Penetration auch im Gebrauchtwagengeschäft zu erreichen.

Das klingt nach einem intelligenten Konzept…

Kurzrock: Auch hier wird mit Wasser gekocht! Wettbewerbsfähige Retail-Zinssätze, die wir bei relativ gesunden Margen und Provisionen anbieten können, erlauben uns Geschäft anzukaufen. Und dann kommt eins hinzu: Viele Marken haben hier keine Captive, sondern Kooperationsmodelle mit Banken. Normale Geschäftsbanken sind bei Restwerten oder Dreiwegefinanzierungen aber nicht sehr wettbewerbsfähig. Australier beleihen für Autokredite traditionell ihre Immobilien, denn Wohndarlehen sind hier extrem günstig. Sie nennen es „put it all on the house“. Früher sind mindestens 50 Prozent der Kunden wie Barkunden beim Händler aufgetreten, weil sie die Finanzierung bereits von ihrer Bank hatten. Das hat sich geändert, weil die Banken deutlich risikobewusster geworden sind, auch durch Corona.

Erhöht das nicht die Risiken in Ihren Büchern?

Kurzrock: Absolut nicht, wir sind da grundsolide unterwegs. Unsere Strategie ist ja gerade, im Markt der Fels in der Brandung zu sein. Viele Anbieter von Finanzierungen haben in der Krise ihre Konditionen immer wieder quasi über Nacht geändert. Der Händler steht dann vor schwierigen Entscheidungen, mit wem er die Finanzierung machen kann. Wir aber nehmen nicht opportunistisch Geschäft mit, wo andere aussteigen. Wir schaffen verlässlichen Benefit auf Gruppenebene. Dafür wird dann auch mal auf ein wenig Provision verzichtet.

Mit welchen Plänen sind Sie ins neue Jahr gestartet? Können Sie sich beispielsweise vorstellen, noch für weitere Marken die Captive-Rolle zu übernehmen?

Kurzrock: Wir wissen nicht, was 2021 passiert. Wir müssen einfach für jede Marktsituation vorbereitet sein. Wir werden uns weiter konsequent auf die Umsetzung unserer Strategie konzentrieren, und genau das brauchen börsennotierte Partner. Auf Anfragen von Fremdimporteuren reagieren wir vorsichtig, immer mit Blick auf den nachhaltigen Gesamterfolg und unseren Konzernauftrag.

Vielen Dank für das Gespräch!


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