"Die Voraussetzung für unser Geschäft ist Vertrauen."

01. August 2019

In einem gemeinsamen Gespräch widmen sich Lars Henner Santelmann, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Financial Services AG, und Christiane Hesse, Vorstand für Personal und Organisation der Volkswagen Financial Services AG, der Unternehmenskultur.

 

Unternehmenskommunikation: Frau Hesse, Herr Santelmann, Sie sind erfahrene Manager des Volkswagen Konzerns und arbeiten bereits lange für die Volkswagen Financial Services. Wie haben Sie die Kultur zu Beginn Ihrer Tätigkeit wahrgenommen, wo hat sie sich verändert?

Santelmann: Ich habe das Unternehmen als sehr freundlich und sehr strukturiert empfunden. Die Kehrseite der Medaille war, dass Diskussionen oder Konflikte zu unterschiedlichen Meinungen selten richtig offen ausgetragen worden sind. Und: Die sehr strukturierten Vorgehensweisen sind manchmal zu Lasten des Tempos gegangen.

Hesse: Als ich hier anfing zu arbeiten, hatte ich den Eindruck, dass das Verhältnis zwischen Vorstand und Managementkreis durch ziemlich großes Misstrauen geprägt war. Viele waren sehr zurückhaltend ihre persönliche Meinung zu sagen und haben immer sehr vorsichtig argumentiert. Das war ich so nicht gewohnt.

Christiane Hesse, Personalvorstand der Volkswagen Financial Services AG

Unternehmenskommunikation: Ist die Debatte um Kultur am Ende nicht auch eng mit der Diesel-Thematik verbunden?

Hesse: Zumindest hat sie einen anderen Stellenwert bekommen. Viele sahen Kultur vorher unter dem Motto „Wenn man sonst nichts zu tun hat, kann man sich mit Kultur beschäftigen“. Diesel hat eine andere Brisanz erzeugt. Insofern glaube ich, dass die Kulturfrage innerhalb der gesamten Volkswagen AG, bereichs- und markenübergreifend, eine andere Bedeutung bekommen hat.

Santelmann: Die Voraussetzung für unser Geschäft ist Vertrauen: In der Zusammenarbeit mit den Marken, mit den Händlern und natürlich den Kunden. Die letzten Jahre haben gezeigt, was passiert, wenn das Vertrauen weg ist. Dann ist nämlich auch die Geschäftsgrundlage weg. Das hat hoffentlich jeder verstanden. Nun müssen wir die derzeitige Situation zum Guten nutzen.

Lars Henner Santelmann, Vorstandsvorsitzender der Volkswagen Financial Services AG

Unternehmenskommunikation: Wie lässt sich Vertrauen zurückgewinnen?

Hesse: Das ist ein langer Prozess. Wir können von der Öffentlichkeit nicht einfach Vertrauen einfordern. Das bekommen wir in erster Linie, indem wir uns glaubwürdig verhalten. Glaubwürdig sein heißt für mich, dass wir das einhalten müssen, was wir in der Werbung versprechen und unseren Kunden zusagen. Und weiter müssen wir uns stets integer, anständig und ethisch einwandfrei verhalten. Was das aber im Einzelfall bedeutet, ist nicht immer einfach zu beantworten.

Santelmann: Jeder Mitarbeiter sollte versuchen, sein eigenes Verhalten auch einmal aus der Perspektive eines Dritten zu betrachten. Was würde ein Dritter sagen, wenn er sieht, wie ich mich verhalte? Ein solcher Perspektivwechsel kann in unklaren Situationen helfen, die eigene, oftmals zu einseitige Betrachtung zu korrigieren.

 

Unternehmenskommunikation: Kultur kann nicht verordnet werden. Was ist Ihre Erwartung an den einzelnen Mitarbeiter?

Hesse: Von den Führungskräften erwarte ich, dass sie mehr ausprobieren. Wenn man Sachen verändern will, geht auch mal etwas schief. Man muss aber den Mut haben, Dinge anders zu machen. Deshalb würde ich mir von den Mitarbeitern wünschen, auf Vorschläge einzugehen, ohne sie abzuwehren, bevor sie ausprobiert wurden.

Santelmann: Das Management kann den Unternehmergeist noch stärker in die Mannschaft tragen. An den einzelnen Mitarbeiter richte ich den Appell, neugierig auf Veränderungen zu sein, Veränderungen können positiv sein, für uns alle.

Hesse: Und da braucht man nicht immer um Erlaubnis zu bitten. Es gibt ja den Spruch: „Bitte nicht um Erlaubnis, sondern entschuldige dich, wenn es nicht geklappt hat.“

Unternehmenskommunikation: Wir schreiben ein Rekordjahr nach dem nächsten und es gibt durchaus den ein oder anderen, der den Kulturwandel für verzichtbar hält, der sagt „Mensch, läuft doch.“ Was entgegnen Sie denn denen?

Santelmann: Da gibt es einen einfachen Spruch: „Wenn Du heute nichts tust, lebst Du morgen wie gestern.“ Und das finde ich doof.

Hesse: Man darf sich nicht mit Ja-Sagern umgeben. Da kriegt man nie einen anständigen Streit hin. Man muss sich wirklich fetzen dürfen, das muss zur Kultur gehören, um den besten Weg zu finden.

Santelmann: Deshalb braucht man in einem guten Team auch heterogene Charaktere. Nehmen Sie den Vorstand. Wir sind komplett unterschiedlich. Ein gutes Team lebt davon, dass die Menschen verschieden sind. Das gilt für Internationalität, Diversity und vieles mehr. Das ist wie im Fußball: Hast du nur Angreifer, ist es doof, hast du nur Verteidiger, ist es auch doof.

 

Unternehmenskommunikation: Lassen Sie uns einen Schwenk auf Sie persönlich machen. Frau Hesse, Sie sind Gymnasiallehrerin, haben in der Erwachsenenbildung gearbeitet, haben sogar mal eine Studentenkneipe betrieben. Was nimmt man von so einem Berufsweg mit?

Hesse: Nachdem ich entschieden hatte, nicht Studienrätin zu werden, wusste ich erstmal noch nicht, wo mich mein Weg hinführt. Ich hatte mein finanzielles Auskommen durch die Studentenkneipe. Mein Werdegang hat mir ein Fundament geschaffen, veränderungsbereit zu sein. Ich habe immer das Vertrauen gehabt, dass ich mich im Leben über Wasser halten und mich auch aus Schwierigkeiten rauskämpfen kann. Das hilft natürlich bei der Experimentierfreude.

Unternehmenskommunikation: Und wenn man den Berufsweg vom Trainee-Programm bis jetzt zum Vorstand der Volkswagen Financial Services AG fast komplett im Volkswagen Konzern begeht, wie prägt einen da das Unternehmen, Herr Santelmann?

Santelmann: Durch Volkswagen habe ich Internationalität erfahren. Ich bin aufgewachsen als Peiner Landkind. Dann war ich plötzlich mit dem Unternehmen zwei Jahre in Italien und fünf Jahre in Spanien. Das waren Ereignisse, die in meinen ursprünglichen Vorstellungen nicht vorkamen. Außerdem habe ich gelernt, dass man sich immer einen Bereich suchen muss, für den man einfach die Zuständigkeit übernimmt, daran Spaß hat, Sachen gestaltet und nicht so viel fragt. Das ist der Vorteil an einem großen Konzern, es gibt immer diese Felder und Inseln, auf denen man Ideen und Themen voranbringen kann. Und das Dritte, was noch dazu kommt, ist die Breite an Möglichkeiten. Ursprünglich habe ich mit klassischer Finanzarbeit angefangen. Dann war ich lange im Vertrieb, und nun bei den Volkswagen Financial Services. Das ist der Vorteil an der Größe der Volkswagen AG: Man kann sehr viele Dinge ausprobieren und kennenlernen, ohne das Unternehmen zu verlassen.

Unternehmenskommunikation: Frau Hesse, Herr Santelmann, vielen Dank für das Gespräch.


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